Orientalismus in der Kunst – Schwerpunkt Ägyptenrezeption

Franz von Reden und Alexandra Correll.

Entwurfsseminar, Sommersemester 2002, UdK Berlin, Lehrstuhl Zamp Kelp/ Assistent Jörg Stollmann.

In dem folgenden Text werden wir uns verhältnismäßig knapp und ungenau mit dem Orientalismus in der Kunst beschäftigen, mit dem Blick auf Ägypten gerichtet. Wir geben einen Überblick von der Antike bis um circa 1800 und der Auseinandersetzung des Okzident mit dem „Alten Orient“ (Ägypten, Mesopotamien, Persien) in dieser Zeit. Darauf folgt ein Überblick von circa 1800 bis heute, in dem wir einen Blick auf die Auseinandersetzung des Okzident mit dem islamischen Ägypten des „Neuen Orients“ werfen.

 

Schon aus der griechischen Antike existieren schriftliche Zeugnisse einer Auseinandersetzung mit Ägypten. Der Geschichtsschreiber Herodot bereiste Ägypten 450 v. Chr. und beschreibt in seinen Aufzeichnungen die ihm rätselhaften Sitten der Einwohner, ihren Totenkult und ihre Götterverehrung, die Weisheit der Priester, die Großartigkeit der Landschaft und der baulichen Monumente und die unvorstellbaren zeitlichen Dimensionen überlieferter Geschichte.

Zwei Generationen später beschäftigen sich auch der Philosoph Platon und einige seiner Zeitgenossen mit Ägypten. Platon zeigt sich beeindruckt von der Dauer und Stetigkeit der Kunst und Kultur, die ihre einmal entwickelten Normen über Jahrtausende fast unverändert beibehielt und hält die ägyptische Kunst für maximal idealistisch und in ihrer strengen Vergesetzlichung als optimal vorbildlich für seine eigene Zeit. Er geht davon aus, dass die Kulturen der Menschheit ihre Wurzeln in Ägypten zu suchen hätten.

Im Jahre 332 v. Chr. erobert Alexander der Große Ägypten. Die Philosophen Alexandrias, der neugegründeten Metropole und Residenz in Ägypten, nehmen allmählich Elemente der ägyptische Religion auf, verfremden und integrieren sie in ihre synkretisch – neoplatonischen Denksysteme. Ein Zeugnis dieser griechisch–ägyptischen Kultursynthese ist der „Corpus Hermetikum“, eine in der Spätantike aus verschiedenen Schriften zusammengefügte Folge von Offenbarungen und Dialogen, die dem pseudo – ägyptischen Gott Hermes Trimegistos zugeschrieben werden und der in graue Vorzeit datiert wird.

Die Römer erobern Ägypten im Jahre 31 v. Christus. Zum ersten Mal entsteht eine Ägyptenmode. Ägyptische Motive beeinflussen römische Wandmalerei und Mosaikkunst, es werden ägyptisierende Gräber errichtet, ägyptische Obelisken werden nach Rom geholt und der Mysterienkult der Isis wird praktiziert.

Die Christianisierung Ägyptens im 4. Jh. zerstört endgültig die ägyptische Religion und die von ihr geprägte, uralte Kultur. Die Eroberung durch den Islam 642 bedeutet vorerst einen Bruch in der engen Beziehung zu Europa.

In der Zeit des Mittelalters fungiert Ägypten für die Europäer nur als Bühne für die Geschichten der Bibel (Moses, Joseph, die heilige Familie). Es ist sehr typisch für diese Zeit, daß Pilgernde, die auch biblische Stätten in Ägypten besuchen, die Pyramiden für die Kornspeicher Josephs halten.

Erst zu beginn des 15. Jh. mit der beginnenden Renaissance steigt das Interesse an der Antike wieder. Das gilt auch für Ägypten. Antike Schriften haben in der arabischen Welt das Mittelalter überlebt und gelangen in der Folge der Kreuzzüge nach Europa. 1419 wird der „Corpus Hermetikum“ entdeckt und es folgen Versuche der Hieroglypheninterpretation.

Die Tabula Bembi, eine spätantike Bronzeplatte mit ägyptisierenden Darstellungen, wie der „Corpus Hermetikum“ wird sie für original Ägyptisch gehalten, wird Anfang des 16. Jh. gefunden. Sie wird unter anderem als Vorlage für die Illustration der „Colonna Missale“ benutzt, einer genealogischen Herleitung der römischen Familie Colonna, die damit ihre Abstammung von dem ägyptischen Gott Apis beweisen will. Der Versuch einer archäologischen Annäherung wird nicht unternommen.

(Abb. Seite aus der „Colonna Missale“, G. Clovio (zugeschr.) um 1532)

Den alchemistisch und astrologisch interessierten Forschern des Barock und Rokoko gilt Ägypten als Ursprung dieser geheimen Wissenschaften. Der Jesuit Athanasius Kircher veröffentlicht mehrere mystifizierende Schriften zur Religion und den Hieroglyphen der Ägypter. Und die Geheimkulte (Rosenkreuzer) dieser Zeit sehen sich in ihrem Geheimwissen in einer Linie mit den Ägyptern. Mozarts Zauberflöte über die Freimaurer, 1791 uraufgeführt, ist wohl von diesen Geheimkulten inspiriert.

(Abbildungen: Ägyptische Gräber und Pyramiden in „Sphinx Mystagoga“, A. Kircher 1676, Dekoration zu der Oper „Die Zauberflöte“, C.F. Thiele nach C.F. Schinkel 1819)

Zu Beginn des 18. Jh. verstärkt sich das wissenschaftliche Interesse an der ägyptischen Kultur als Folge gezielter Reisen. Der ausführliche Reisebericht von Pococke (1743) und das hervorragend illustrierte Stichwerk von Norden (1751) informieren und inspirieren Wissenschaftler, Architekten, Maler und Reisende.

Im Klassizismus findet parallel zur starken Rezeption der Antike auch weiterhin eine Auseinandersetzung mit Ägypten statt. Das Land am Nil fasziniert immer noch durch seine Geheimnisse, wird aber auch als Vorläufer der griechischen Antike gesehen und als eine erhabene Kultur mit einer eigenen strengen Ästhetik geschätzt.

In der zweiten Hälfte des 18. Jh. avanciert das Interesse an Ägypten zu einer Mode, erst in Rom, dann in Frankreich. Zeugnisse dieser Mode sind wohl die Wandmalereien Piranesis für das Cafe Inglese in Rom (Abb.)und die Tatsache, dass sich die Königin Marie-Antoinettes die Sphinx als eines ihrer persönlichen Symbole erwählte und an die Decke ihres Schlafzimmers in Versailles gemalt dem königlichen Löwen als Machtsymbol ihres Mannes zuordnete.

(Abb. „Dekoration für das Caffè Inglesi“, G.B. Piranesi, 1769)

Mit der großen französischen Revolution wurden dem Adel zwar die finanziellen Mittel für die ägyptisierenden Luxusmoden entzogen, das Interesse an Ägypten erlosch aber nicht. Das Bild von Ägypten wurde nun aber einer neuen Bewertung unterzogen. War es zur Zeit Ludwig des XIV. als „Ancien Regime“ zur Rechtfertigung der Allmacht des Königs benutzt worden, interpretierte man nun ägyptische Formen als Symbole der Schöpferkraft der Natur und als Zeugnisse einer unverdorbenen Urkultur.

Im Mai 1798 begann der große Feldzug Napoleons nach Ägypten. Kriegsziel war, Ägypten vom türkischen Einfluss zu befreien, die Handelswege des Feindes England zu behindern und den kulturellen und wirtschaftlichen Reichtum Ägyptens für Frankreich nutzbar zu machen. Das Land wurde zwar besetzt, aber die gesamte französische Flotte wurde von den Engländern zerstört und die Truppen fielen verschiedenen Kleinkriegen und Seuchen zum Opfer. Der Feldzug wurde von einer Gruppe von mehr als hundert Wissenschaftlern und Künstlern begleitet, von denen einige später prächtig illustrierte Darstellungen der militärischen Taten anfertigten und so die Niederlage propagandistisch in einen Sieg umwandelten.

(Abb. „ L` oedipe“ 1867 von Jean-Lèon Gerôme)

„…geht man von der griechischen Sage des Oedipus aus, so löst Napoleon im übertragenen Sinn das Rätsel der Sphinx, da durch seine militärische Kampagne nach Ägypten die Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion (1822) ermöglicht wird und damit der Schlüssel zur wissenschaftlichen Bearbeitung einer der ältesten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte gefunden war…Gerôme verweist durch die Gegenüberstellung des isolierten Reiters mit der ewigen Sphinx auf die Interpretation Napoleons als Rätsellöser…zwar ist Napoleon eine kleine Gestalt im Vergleich zur zeitlos wirkenden Sphinx, jedoch greifen Ewigkeits- und numismatische Symbolik auratisch auf ihn über, so dass eine Identifikation Napoleons mit der Sphinx nahe liegt…“ (1)

(Abb. Aus der „Description de l`egypte“)

Die unmittelbare Erfahrung der kulturellen Schätze Ägyptens lässt die „Description de l`egypte“ entstehen, eine zwischen 1809 und 1828 erschienene 24-bändige Bestandsaufnahme der altägyptische Funde und Bauwerke, die auf den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen der französischen Ägyptenexpedition basiert. Zusammen mit dem Fund des Steines von Rosetta, der 1822 Champollion die Hieroglyphen entschlüsseln lässt, begründet die Description die Wissenschaft der Ägyptologie. Das bis dahin eher vorherrschende hochmystifizierte und geheimnisvolle Ägyptenbild nimmt ab.

Im 19. Jahrhundert wird Ägypten zum Ziel der kulturinteressierten, vor allem französischen Bürger, es wird bereist von Künstlern, Photographen und Literaten. So entstehen etliche Bildersammlungen dieser Orientexpeditionen durch das neue Medium der Photographie. Gustave Flaubert schreibt „die Reise in den Orient“ und bereist um 1850 zusammen mit dem Photographen Maxime DuCamp Ägypten; die Aufnahmen, die DuCamp teilweise in offiziellem Auftrag ausführte, und Zeugnisse dieser „Reise zum Nil“ werden kurze Zeit später in Frankreich publiziert. (1997 wird ein gleichnamiger Bildband über diese Expedition herausgebracht, der jene aus heutiger kritischer Sicht kommentiert.)

Es ist die große Zeit des Imperialismus und Kolonialismus in Nordafrika. Ägypten steht unter großem kulturellem Einfluss Frankreichs und ist politisch und wirtschaftlich spätestens seit Bau des Suezkanals (um 1875) abhängig von England. Die Kunst dieser Zeit beginnt, sich mit dem islamisch-arabischen Ägypten auseinanderzusetzen, neben dem bis dahin mehr oder weniger auf die Überreste Altägyptens fokussiertem Blick. Gesellschaftlich und kulturell wird in Europa begonnen, ein Orientbild zu konstruieren, das die koloniale Invasionspolitik legitimieren soll – ( „… a subtle and persistent eurocentric (and christian) prejudice against arabo-islamic peoples and their culture. This was less a matter of racism (although racism did play a part), than of the aggressiveness necessitated by the colonial expansion of the European powers, France and England, in Africa and the near East throughout the 19th century…“)(2) – und gleichzeitig ein Gegenbild Europas entwirft, der Orient als das Fremde, von dem man sich abgrenzt („…Der Orient unserer kollektiven Vorstellung enthält alle unsere Widersprüche, wird zur eigentlichen Antithese der Moderne…“)(3) – der Orient als Konstrukt des Okzident („…L´orient est dans notre tête. Hors de nos têtes d`occidentaux, l´orient n´existe pas…“)(3).

Im Folgenden werden wir einige „typische“ Vertreter dieses „Orientalismus“ betrachten, die vielleicht deutlich machen, wie sich die oben beschriebene Haltung auf die Kunst projizierte. Auf akribisch genaue kunsthistorische Richtigkeit nehmen wir keine Rücksicht, vielmehr soll die Problematik an einzelnen Beispielen aufgezeigt werden, bei denen möglicherweise der Vorwurf der Überinterpretation laut wird, es sei aber angemerkt, dass sich oben beschriebene Haltung auch erst in den riesigen Massen der Orientbilder wirksam zeigte, und jedes einzelne nur einen sublimen Anteil daran hatte, jene nun folgenden Stereotypen zu kreieren.

Der Orient wird als ungezügelt, dem sinnlichen Rausch verfallen, dargestellt. Dem Europäer bietet sich die Möglichkeit der Darstellung und Anschauung erotisch aufgeladener Szenen, von denen er sich gleichzeitig moralisch distanzieren kann, weil sie nicht in seinem Umkreis spielen, sondern es ist ja der „primitivere“ Orientale, der agiert. Mannigfache Haremsbilder bieten den Einblick in die geheimnisvolle, sinnlich überbordende Welt der Harems.

(Abbildungen: „Der Sklavenmarkt“ Jean-Léon Gerôme 1866, „Les Almees“ (Der Tanz der Almah), P.L. Bouchard um 1893)

„… Künstler wie Gerôme konnten dasselbe Thema – das Zurschaustellen nackter, machtloser Frauen vor angezogenen Männern, die die Macht haben – unter einer Reihe von Vorwänden, z.B. des antiken Sklavenmarktes auftischen. Hinter der Produktion derart populärer Anreize zum gleichzeitigen Lippenlecken und Zungenschnalzen verbirgt sich die Befriedigung, die die köstliche Erniedrigung hübscher Sklavenmädchen dem moralisierendem Voyeur verschafft… …Gerômes Stil verurteilt sein Thema – …, indem er durch nüchterne „Objektivität“ das unangreifbare Anderssein der Charaktere seiner Schilderung garantiert. In Wirklichkeit sagt er :`Denkt nicht, dass ich oder irgendein anderer anständig denkender Franzose jemals in eine solche Sache verwickelt sein könnte. Ich nehme lediglich sorgsam zur Kenntnis, dass weniger aufgeklärte Rassen dem Handel mit nackten Frauen frönen-aber ist das nicht entsetzlich!` …“ (4)

Der wilde Araber, der in ungebändigter wilder Aggression kämpft, gegen den die europäischen Offensiven zur Zivilisierung seiner Barbarei dienen.

„…Der Salonbesucher musste die Araber als grausame und despotische Menschen empfinden, die so schnell wie möglich nach europäischem Vorbild zu zivilisieren seien, damit Europa vom Glanz und Reichtum der Kultur des Orients profitieren könne.“ (1)

(Abb. „Der Aufstand von Kairo“, Anne-Louise Girodet de Roussy-Trioson 1810)

Vor allem jene Schlachtenbilder aber auch andere Orientalistenbilder erfreuen sich heutzutage einer großen Beliebtheit bei reichen Kunstsammlern aus Saudi- Arabien und anderen Ölländern, und werden zu hohen Preisen auf diversen Versteigerungen erstanden. In London existiert eine Galerie, die auftragsmässig Kopien dieser Gemälde für jene Kunden anfertigen lässt.

Die Darstellungen der „einfachen Landbevölkerung“, die eigentlich unverändert seit Jahrhunderten vor sich hin lebt, ein einfaches Leben führt und mit den grossen kulturellen Gütern des Landes gar nichts anzufangen weiss, zeigen so gut wie nie die Not und das Bedürfnis nach Veränderung und Reformen unter der kolonialen Abhängigkeit.

„…Dies entspricht den literarischen Beschreibungen vom Leben der Bauern, in denen der Aspekt vom immerwährenden Gleichmut und der unglaublichen Duldsamkeit der ägyptischen Einwohner in seiner historischen Dimension bis ins Zeitalter der Pharaonen zurück verfolgt wird…..Diese Überhöhung der einfachen Lebensart zur besseren Ausbeutung findet sich auch bei Gerôme…“ (1)

(Abb. „Encampment in the Desert at Gizah“ L.C. Müller 1874)

Beliebt war auch die Darstellung von Straßen und Bazaarszenen größerer Städte wie z.B. Kairo, die durch den ornamentalen Charakter dekorative Motive boten. Auf den Weltausstellungen 1887 in Paris und 1900 war die „Rue du Cairo“ zu sehen, eine pittoreske kulissenhaft nachgebaute ganze Straße mit importierten Handwerkern und Eselstreibern, in der man „von verschleierten Frauen bedient, echt arabischen Kaffee schlürfen, dem berühmten Tanz der arabischen Tänzerin oder den Kreiseldrehungen des Derwisches oder dem Kampfspiele der Sudanneger zuschauen kann.“(5)

„Die Baudetails stammten aus abgerissenen Häusern Kairos, die der Modernisierung nach dem französischem Vorbild Haussmanns weichen mussten, um Platz zu schaffen für breite Boulevards und Parkanlagen mit Alleen. So veränderte sich das Stadtbild Kairos nach europäischem Vorbild, während die islamische Architektur nach Europa transportiert und zur Schau gestellt wurde.“ (1)

Ende des 19. Jh. sinkt dann das künstlerische Interesse am Orient und an Ägypten, da es sich inzwischen für jeden Bildungsbürger „gehört“, die Pyramiden gesehen zu haben, und es viele organisierte Touristenreisen , z. B. von Thomas Cooke, gibt.

(Abb. „Die Kairoer Straße auf der Weltausstellung von 1889“, C. Bussiliet 1889)

Durch die Zeit ziehen sich natürlich immer noch, auch bis heute die „Klassiker“ der Ägyptendarstellungen wie die Kleopatra, die für unsterbliche Schönheit(z.B. Kosmetikfirmen, die sich Kleopatra nennen oder ein Nophretete-Logo benutzen) Macht, Anmut und Eleganz steht.

Auch die Sphinx bleibt die Jahrhunderte hindurch die Hüterin eines Geheimnisses, die Weisheit besitzt. Erst in den europäischen Interpretationen wird sie als weiblich dargestellt, der altägyptische Sphinx war männlich.

Im beginnenden 20.Jh. folgt dann ein wiederaufkommendes Interesse am Orient und seinen ornamentalen, dekorativen Motiven in der Phase des Expressionismus. Matisse, Klee und Macke bereisen aber vorwiegend Tunesien, Algerien und Marokko, darum seien diese Künstler hier nur kurz erwähnt.

Im weiteren Verlauf des 20.Jh. finden sich nur noch sporadische Zeugnisse eines ägyptischen Einflusses auf die europäische Kunst.

(Abbildungen: “Kleopatra”, Gustave Moureau 1887, „The Questioner of the Sphinx“ Eluhi Vedder 1863, „Wüstentheater“, Jean Dubuffet 1948, „Die Kaliven“, Aldo Mondino 1989-90)

Jean Dubuffet als Vertreter der Art Brut in den 40ger Jahren, die sich gegen die akademischen Normen wandte, griff oft das Motiv der nordafrikanischen Wüste auf. Aldo Mondino, der der Neo-Avantgarde in den 60gern angehörte, schafft mit seinen kindlich-groben, perseflierenden Darstellung alter orientalischer Herrscher eine Art Neo-Orientalismus. Im seinem Stil malte er auch das oben gezeigte Historienbild „l´oedipe“ mit Napoleon vor der Sphinx nach.

In der Photocollage „the ancient wisdom“ 1987 von John Baldessari ist eine alte Photografie einer Pyramide zu sehen. Baldessari arbeitete viel mit Film-, Fotocollagen, um die Bilderflut in einer medienübersättigten Gesellschaft zu kommentieren. So ist vielleicht hier schon die Inflationierung der alten, für Weisheit stehenden, abertausendmal abgelichteten Pyramide angedacht.

(Abb. „The ancient wisdom“ von John Baldessari 1987)

Eine Art ägyptische Pop-Art schafft die in London lebende und arbeitende, und in Ägypten geborene und aufgewachsene Künstlerin Rana Salam, die die riesigen Werbeplakate, die auf Kairos Strassen zu finden sind, abmalt.

(Abb. Rana Salam)

Die nun folgenden Beispiele der Verwendung Ägyptens in Werbung, Musik, eben Pop-Kultur , sollen genannt sein, da auch sie, in unserem Alltagsleben auftauchend, zu unserem Ägyptenbild gehören, aber nicht weiter kommentiert werden. Ägypten wird auf eine zeichenhafte Oberfläche ohne oder mit Aussage projiziert. Michael Jackson siedelte das Video-Clip zu „Remember The Time“ im alten Ägypten an, in das er durch eine Zeitreise gelangt, am Schluss sich in staub verwandelt. Der Bangles-Hit „Walk Like An Egyptian“ aus den 80gern orientiert sich an den Körperhaltungen in den altägyptischen Darstellung.

(Abbildungen: „Boys don`t cry“ Cover von The Cure, Werbung im Ausstellungskatalog „Europa und der Orient“ 1987, Optiker in der Seestrasse, Berlin-Wedding)

Zusammenfassung

Für die lange Zeit in der es so etwas wie eine Ägyptenrezeption gegeben hat, lässt sich sagen, dass eine Auseinandersetzung mit Ägypten immer dann stattgefunden hat, wenn das Land für die Rezipienten im Sinne des „kulturellen Gedächtnisses“ eine Rolle gespielt hat. Das heißt, dass eine Identifizierung mit oder sogar Instrumentalisierung der überlieferten Geschichte des Landes stattfinden konnte.

Literatur- und Quellenangaben

(1) „FERN-GESEHEN“ französische Bildexpeditionen in den Orient 1865-1893 – Petra Bopp 1995

(2) „Orientalism “ Edward Said 1979

(3)“L´Orient imaginaire“ Thierry Hentsch 1988

(4)“ The imaginary Orient“ aus Ausstellungskatalog „Exotische Welten, Europäische Phantasien “ Stuttgart 1987

(5) Deutsche Rundschau 1900

-„Europa und der Orient 800-1900“ Ausstellungskatalog Berlin 1989

-„The Orientalists: Delacroix to Matisse“ Royal

Academy of Arts, London 1984

-„Orientalismus“ G. Lemaire 1999

-„Weltgeschichte“ der Kunst, Prestel Verlag

-Internet